Sehnsuchtsjahre - Band 2:
Wo die Hoffnung leuchtet
Wie viel Neubeginn erträgt eine Freundschaft?
Bonn, 1947. Während Deutschland neu aufgebaut wird, müssen die Freundinnen Helene und Theresa um ihr Glück kämpfen. Helene denkt daran, Deutschland für immer zu verlassen.
Theresa vermisst verzweifelt ihren Ehemann Bruno, der seit Jahren verschollen ist. Die Aussicht, auch ihre engste Vertraute zu verlieren, bereitet ihr große Angst.
Als eine Nachricht aus Polen eintrifft und Theresa den charmanten Briten Henry kennenlernt, wendet sich das Blatt für die Frauen. Beide schöpfen Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch der Krieg hat überall Spuren hinterlassen – und Helene und Theresa ahnen nicht, wie fest ihre Schicksale miteinander verwoben sind.
Impressionen aus dem Buch
Die Protagonisten
Die Spuren des Krieges
Hinter Helene und Daniel liegen schwere Zeiten. Besonders Daniel träumt davon, Deutschland endlich zu verlassen und in den USA ein neues Leben zu beginnen.
Helene ist bereit, ihm zu folgen, obwohl es ihr schwerfällt, ihre Freundin Theresa allein zurückzulassen.
Die beiden haben sich kurz nach dem Krieg kennengelernt und sind einander verlässliche Stützen. Sie verstehen einander, denn Helene weiß, was Theresa empfindet, die ihren vermisst gemeldeten Ehemann Bruno vermisst. Sie ist es, die Theresa Mut macht, ihr Leben deswegen nicht wegzuwerfen, sondern nach vorn zu sehen. Aber das wird auch für sie Folgen haben, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen wird.
Während es in Deutschland langsam wieder bergauf geht, müssen alle drei versuchen, ihr Glück wiederzufinden. Unter der Asche, die der Krieg zurückgelassen hat.
Helene
Der Krieg hat Helene fast alles genommen - aber sie muss lernen, loszulassen. Ihre innige Freundschaft mit Theresa, ihren Traum von einer Familie, vielleicht sogar ihre Ehe. Nichts ist mehr, wie es war oder sein sollte.
Helene wäre nicht sie, wenn sie nicht weiter für ihr Glück kämpfen würde. Aber was hält ein vernarbtes Herz aus?
Theresa
Sie hatte ein glückliches Leben mit Bruno, ein gemeinsames Restaurant, eine Zukunft. Bis zum Krieg,
Seit Bruno i Russland vermisst gemeldet wurde, muss sie sich allein durchschlagen. Verarmt und verzweifelt klammert sie sich an sie vage Hoffnung, dass ihr Ehemann irgendwann zurückkehrt.
Als der Brite Henry in ihr Leben tritt, schafft sie es endlich, wieder an ein Morgen zu glauben. Sie ahnt nicht, dass das Schicksal sich für sie noch mehrfach ändert.
Wird sie ihre Fehler bereuen?
Daniel
Die Spuren des Krieges haben sich tief in Daniels Seele gebrannt. Obwohl es ihm augenscheinlich gut geht, er hat überlebt und mit Helene die Frau geheiratet, die er liebt, ist sein Herz noch immer ein Schlachtfeld. Er will und kann nicht länger in Deutschland leben, dem Land der Täter, der Mitwisser und Mitläufer, die ihm noch immer jeden Tag begegnen.
Eine unerwartete Begegnung ändert seine Haltung, macht ihn stärker als er es selbst erwartet hat.
Riskiert er zuviel?
Leseprobe
Kapitel 1
Helene
Bonn, Juni 1947
Das Hakenkreuz fiel zu Boden, und Helene schob es mit dem Fuß zu dem Haufen schwarzer Stoffreste. Vorsichtig, um nur ja nicht ins Rote zu geraten, fuhr sie mit der Schere um den weißen Teil der Fahne herum, bis sie ein weiteres Stück davon in den Händen hielt. Sorgfältig legte sie die Stoffe nach Farben getrennt ab, dann zupfte sie die nächste Flagge aus dem Beutel, den ihre Kundin ihr gebracht hatte.
Ein weißes Kinderkleid, einen roten Rock und eine schwarze Schürze würde sie aus den Überresten nähen, wie gewünscht. Sie mochte diesen Auftrag. Die Symbole der Diktatur zu zerteilen, bereitete ihr stets Vergnügen, aber die viel spannendere Aufgabe wartete in einem Koffer, der in der Zimmerecke stand. Ungeduldig wanderte ihr Blick dorthin, sie konnte es nicht abwarten, ihn zu öffnen, den voluminösen Fallschirm herauszuholen und das leichte Material in ein Brautkleid zu verwandeln. Wie viel Geld sie damit verdienen würde! Nie zuvor hatte sie einen so lukrativen Auftrag erhalten, mit dem sie ein Vielfaches dessen einnehmen würde, was sie sonst für die üblichen Näharbeiten und Ausbesserungen bekam. Ein Auftrag, dessen Lohn sie ihrem Ziel ein gutes Stück näherbringen würde. Auch wenn ihr das schwerfallen würde.
Ihre kleine Änderungsschneiderei lief besser, als sie es sich bei der Eröffnung vor einem Jahr erhofft hatte. Wobei man nicht von einer richtigen Eröffnung sprechen konnte, sie hatte einfach eine Ecke in dem Zimmer, das sie mit Daniel bewohnte, so gut es ging freigeräumt, dort ihre Nähmaschine und eine Kleiderstange platziert und angefangen zu arbeiten. Wenig später hatte sie ein Schild an der Haustür angebracht und in der Nachbarschaft jedem erzählt, dass sie nun Aufträge entgegennahm. Ihre Kunden wussten, dass sie keine ausgebildete Schneiderin war, aber sie schätzten Helenes Talent, aus alten Stoffen neue Kleidung zu nähen, lange getragenes zu flicken oder anzupassen. Und mehr als das liebten sie wohl Helenes Preise, die günstiger waren als die der anderen Schneidereien. Als Ungelernte wagte sie es nicht, mehr zu verlangen, aber für das Brautkleid hatte sie einen wirklich guten Lohn ausgehandelt.
Er würde sie ihrem Traum ein Stück näherbringen, ein großes Stück. Bald schon würde sie nicht mehr hier sein, in diesem Raum, dessen Wände ständig näher zu rücken schienen, der selbst mit dem wenigen, das sie besaßen, vollgestopft war.
Gleich neben der Zimmertür stand ihre Kochhexe, ein schwerer Ofen, mit dem sie sowohl kochen als auch heizen konnten, was im Winter wohltuend und im Sommer schweißtreibend war. Jetzt in der heißen Jahreszeit ließ Helene die beiden Fenster immer geöffnet, sehnsüchtig auf Abkühlung wartend, dabei hatte sie noch vor wenigen Wochen verzweifelt versucht, die undichten Ritzen abzudecken, um die bittere Kälte aufzuhalten, die sich wie ein Raubtier hereinzuschleichen versuchte.
Die Toilette lag auf dem Flur, am kleinen Tisch saßen sie auf zwei Stühlen, einer davon war sogar gepolstert und deshalb auch ihr Arbeitsstuhl. Nachts teilten sie sich ein schmales Bett, in dem sie und Daniel stets engumschlungen einschliefen, als müssten sie sich festhalten, um sicher sein zu können, einander zu haben. Trotz allem, noch immer.
Immerhin hatten sie dieses Zuhause für sich allein und mussten es nicht mit Fremden teilen, wie so viele andere Bewohner der noch immer in Trümmern liegenden Stadt. Helene war zutiefst dankbar für diesen Umstand, der allein auf dem kleinen Erbe beruhte, das ihre Freundin Maria ihnen vermacht hatte. Obwohl es ihr lieber gewesen wäre, Maria würde noch leben. Die alte Dame war eines Morgens einfach nicht mehr aufgewacht, ganz und gar unerwartet. Dass Maria friedlich und mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen war, war für Helene nur ein schwacher Trost. Sie vermisste ihre Weisheit in vielen Dingen und verspürte Wehmut, wenn sie an sie dachte. Was wäre aus ihnen geworden, wenn Maria Daniel damals nicht bei sich versteckt hätte?
Es fehlte ihr, mit Maria zu reden. Obwohl sie in Theresa inzwischen eine gleichaltrige Freundin gefunden hatte, eine neue beste Freundin.
Als sie die Fahnen zerschnitten und die Stofffetzen nach Farben sortiert hatte, hörte sie das vertraute Geräusch von Daniels Schritten vor der Wohnungstür.
Als er eintrat, lächelte er, kam zu ihr an den Arbeitstisch und küsste sie. »Hallo, Liebste.«
»Guten Abend«, begrüßte sie ihn und erwiderte sein Lächeln. Sein Anblick löste in ihr noch immer ein warmes Gefühl aus. »Du kommst spät.«
»Ich habe noch für Brot angestanden, weil es hieß, dass es bei Meier noch etwas gibt. War aber nicht so.« Er seufzte und klang schuldbewusst. »Wir haben noch Kartoffeln, oder?«
»Ja.« Helene dachte an die letzten drei Knollen, die übrig waren und ihren Hunger kaum stillen würden. Dennoch nickte sie dabei aufmunternd. Sie wollte nicht, dass er sich schlecht fühlte, nur weil er mit leeren Händen nach Hause kam. Die ganze Stadt, das ganze Land litt Not. Überall kämpfte die Bevölkerung darum, genug zu essen zu haben. Sie waren nicht die Einzigen. Wie lange würden sie das noch ertragen müssen?
»Wir werden schon irgendwie satt werden«, tröstete sie ihn. »Und ich habe gute Neuigkeiten.«
»So?«
Sie ging zum Koffer und öffnete ihn. »Schau, das ist ein Fallschirm. Noch! Denn ich werde ein Brautkleid daraus schneidern, und du wirst nicht glauben, wie viel die Kundin mir dafür bezahlt.«
Daniel schaute sie fragend an. »Verrat es mir.«
Sie verkündete den Preis, der sogar bar bezahlt werden sollte, voller Stolz und Daniel riss die Augen auf.
»Im Ernst? Das ist ja fantastisch. So viel hast du noch nie an einem Kleid verdient, oder?«
»Nein. Ich habe zwei Monate Zeit dafür, dem Himmel sei Dank. Und ich habe genau nachgerechnet: Mit dem Geld für das Kleid und deinen nächsten beiden Löhnen müsste es reichen, Daniel.« Erwartungsvoll sah sie ihn an.
Ein Schimmer glitt über Daniels Augen. »Bist du sicher?«
»Komm, ich zeige es dir.« Sie trat mit ihm an den Tisch und gab ihm die Rechnung, die sie mit Bleistift geschrieben hatte. Stumm betrachtete Daniel die Kalkulation, und als Helene schon fürchtete, sich verrechnet zu haben, hob er den Blick und nickte langsam.
»Es stimmt«, sagte er. »Es wird reichen.«
Ihn endlich wieder hoffnungsvoll zu sehen, erfüllte Helene mit einem wehmütigen Glücksgefühl. Kribbelnde Aufregung durchspülte ihren Körper. Sie mussten es schaffen. Raus aus diesem Land, das Daniel beinahe umgebracht hätte, so wie seine Eltern und Millionen anderer Menschen. Raus aus dem Land, in dem die Mörder noch immer frei herumliefen und deren Sympathisanten ihnen jeden Tag begegneten, bei der Arbeit, auf der Straße, beim Einkaufen. Dieses Land, das der Seele ihres Mannes Verletzungen zugefügt hatte, die nicht heilten. Die nicht vernarbten wie die Wunden auf seinem Körper.
Aber auch das Land, in dem sie beide aufgewachsen waren, dessen Sprache sie sprachen und in dem sie Freunde hatten. Theresa, das ahnte Helene mit dunkler Bestimmtheit, würde ihre Auswanderung schwer treffen.
Sie legte die Arme um Daniel und den Kopf auf seine Brust. Er war ihre Liebe, für ihn würde sie alles tun, alles wagen, bis zum Ende ihres Lebens. »Es wird klappen, Daniel. Wir werden auswandern. Nach Amerika, in die USA.«
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